Starkes Schwitzen, bei dem sichtbare Schweißflecken und ekliger Schweißgeruch entstehen, kennen viele Pubertierende leider aus eigener Erfahrung. Es sind die Hormone, welche im Körper verrückt spielen und die Schweißdrüsen durcheinanderbringen. Folge ist übermäßige Schweißbildung, nicht nur unter den Armen sondern auch im Gesicht, am Rücken, an den Händen und sogar am Po! Und das schlimmste dabei: jeder sieht es, jeder merkt es!
Im Internet, in Onlineforen, auf Boards und beim chatten stellen Jugendliche sinngemäß immer wieder die gleiche Fragen.
Hier einige Beispiele für die Sorgen Jugendlicher im Bezug auf das Schwitzen:
- “Was kann ich bloß gegen mein furchtbares Schwitzen tun?!”
- „Hilfe Schweißflecken! OMG“
- „Schwitzen im Unterricht – Pubertät?“
- „Was tun bei Schwitzen in der Pubertät?“
Den Heranwachsenden kommt dabei die von vielen Erwachsenen oft leichtfertig gescholtene Anonymität des Internets zu Gute. Ohne die Möglichkeit, sich anonym unter „falschem Namen“ (nicks) über Probleme aller Art auszutauschen, hätten es viele Jugendliche noch schwerer. Im Internet finden auch diejenigen Gehör, die sich im wahren Leben niemanden anvertrauen können. Denn wer stark schwitzt zieht sich nur zu leicht aus der Gesellschaft zurück und oft fehlt es an Vetrau(t)en oder sogar an Freunden, um sich mitteilen zu können. Als negativ ist dagegen ein gegenseitiges Hochschaukeln übertriebener Hygiene und „Sterilität“ zu interpretieren, denn ein gewisses Maß an Schwitzen, Körpergeruch aber auch fettiger Haut sowie Pickeln ist in der Pubertät durchaus als normal anzusehen und keinesfalls ein Indiz auf Unsauberkeit.
Schwitzen wie ein Schwein?
Viele Teenager leiden tatsächlich während der Pubertät unter massivem Schwitzen und verstärktem Körpergeruch. Sie fühlen sich schrecklich dabei, schmutzig und hassen sich teilweise selbst dafür, wenn dieser Part nicht ohnehin bereits von „Klassenkameraden“ ausgefüllt wird. In der Schule oder im Lehrbetrieb, auf Feten, in Discos oder generell unter Menschen werden Jugendliche leider oft gehänselt, ausgelacht und ausgegrenzt obwohl diese Nebenwirkungen der Pubertät bis zu einem gewissen Grad als völlig normal anzusehen sind.
Was denken Jugendliche häufig selbst über Ihr Schwitzen? Eine Internet-Recherche:
- „Ich schwitze und jeder sieht es!„
- „Ich stinke nach Schweiß und jeder riecht es!„
- „Mein Schwitzen ist nicht normal. Bin ich nicht normal?„
- „Keiner mag mich weil ich so furchtbar doll schwitze!„
- „Meine Eltern sagen Schwitzen sei gesund.„
- „Ich kann keine Tops mehr anziehen wegen der dunklen Schweißflecken!„
- „In der Disco läuft mir der Schweiß von der Stirn!„
- „Ich hab kein Bock mehr auf Tanzschule weil ich so Schweißhände habe.„
- „Bei Freunden zuhause muss ich immer meine Schuhe ausziehen …„
- „Alle Mädels/Jungs wissen dass ich schwitze!„
- „Ich krieg nie eine/n Freund/in … 🙁 „
- „Ich schwitze wie ein Schwein„
Peinlichkeiten vermeiden! Jugendliche, die stark Schwitzen, vermeiden am liebsten …
- Händeschütteln
- bunte oder enge Tops/T-Shirts tragen
- Kontaktsportarten
- Tanzen (besonders auf vollen Tanzflächen)
- Dates mit Freunden/Freundinnen
- an der Tafel schreiben (hinterlässt Flecken)
- Instrumente spielen (besonders Klavier und Gitarre)
- die Tanzschule, Fahrschule oder den Erste-Hilfe-Kurs besuchen
- das Nagelstudio besuchen
- fingergesteuerte Geräte anderer zu benutzen (Smartphones, Laptops, Pads etc.)
- Bastelarbeiten in der Gruppe
Eltern und Freunde haben oft kein Verständnis …
- „Schwitzen ist doch gesund!„
- „Das ist lebenswichtig. Jeder schwitzt, auch deine Freunde!„
- „Das sieht doch keiner!„
- „Benutz doch einfach viel Deo!„
- „Jungs schwitzen halt stärker. Das ist männlich!„
Studie: Jugendliche schwitzen tatsächlich stärker!
Dass andere wenig Verständnis dafür haben, wie sehr man unter dem Schwitzen leidet, und wie weit einen das Problem einschränken kann, das ist nicht nur bloße Einbildung emotional bewegter Heranwachsender, die ihr Leben während der Adoleszenz subjektiv als besonders dramatisch empfinden. Vielmehr bestätigt eine Studie der Hamburger Beiersdorf AG [1], dass Teenager in der Tat schneller und stärker schwitzen und zudem schneller Körpergerüche entwickeln. So erhöhte sich in der Beiersdorf-Studie die Schweißmenge gestresster Jungen im Schnitt um das 24-fache. Bei den Mädchen lag der Stresswert sogar mehr als 40-fach höher im Vergleich zur Schweißmenge im entspannten Zustand. Die meisten Eltern Heranwachsender brauchen eine solche Studie aber erst gar nicht, denn insbesondere dann, wenn sich mehrere Jugendliche in einem ungelüfteten Raum aufhalten kann man das Problem oft deutlich riechen.
Leistung auf Knopfdruck! Erfolgszwang! Die Anforderungen von Schule und Beruf zwingen Jugendliche immer wieder in Situationen, in denen Stress unausweichlich ist. Verstärktes Schwitzen ist oft die Folge.
Die extreme hormonelle Umstellung während des körperlichen Heranreifens steuert die Funktion der schweißbildenen Drüsen in erhöhtem Maße. Diese ekkrinen Schweißdrüsen arbeiten dann verstärkt und reagieren schon auf kleinste körperliche Anstrengungen. Den größten Effekt – jedoch völlig unabhängig von Außentemperaturen oder körperlicher Bewegung – haben allerdings Hormone, die durch emotionale und psychische Signale ausgeschüttet werden, allen voran Stresshormone (Adrenalin). So erklärt sich auch die oft von Heranwachsenden beschriebenen Schweißausbrüche in der Schule, z.B. während Klassenarbeiten oder Referaten. Obwohl in diesen Momenten keine anstrengenden Bewegungen ausgeführt werden und die Zimmertemperatur moderat ist, schwitzen die Betroffenen ungehemmt.
Aus neurologischer und psychologischer Sicht ist das Gehirn Jugendlicher nur vermindert in der Lage, die Vielzahl von Reizen und Eindrücken während der Pubertät zu verabeiten, ohne dabei in Stress zu geraten. Es ist weniger belastbar als Gehirne von prepubertären Kindern, deren neurologische und mentale „Unreife“ es noch zulässt, Eindrücke aller Art regelrecht „aufzusaugen“. Ebenso ist das pubertäre Gehirn weniger belastbar als das von reiferen Erwachsenen, da es sich in einem Wachstums- und Wechselprozess befindet, der sich im Alltag ständig durch Gereiztheit, Konzentrationsschwäche oder mentale Erschöpfung äußert. Dies hat zur Folge, dass ständig Stresshormone freigesetzt werden, welche die gefürchteten Schweißausbrüche auslösen.
Auch die Intensität des Körpergeruchs, insbesonders des Achselgeruches nimmt laut der o.g. Studie [1] bei Jugendlichen in kürzester Zeit zu. Jungen – vermutlich durch ihre höheren Testosteron-Werte – zeigen dabei eine deutlich stärkere (d.h. markantere) Geruchsentwicklung als die Mädchen, welche durch die vermehrte Bildung von Östrogenen weniger (und anders) riechen. Diese Erkenntnisse beweisen, dass auch die apokrinen Schweißdrüsen, welche vorallem Geruchsstoffe ausscheiden, während der Pubertät besonders aktiv sind.
Jugendliche, die meiden – Jugendliche, die leiden…
Die Wahrheit kann grausam sein, so sagt man, und in Bezug auf das Schwitzen trifft dies leider auch zu. Besonders Jugendliche haben eine unmissverständliche, geradezu unbarmherzige Ausdrucksweise in Bezug auf diese delikate Angelegenheit:
- „Wer schwitzt ist uncool!“
- “Wer schwitzt, der stinkt!”
- ”Wer stinkt, hat noch nie was von Waschen gehört!„
- „Sag mal: Hat dein Deo versagt?!„
- „Du stinkst wie ein Iltis!“
- „Du stinkst, du Opfer!“
So oder ähnlich klingt es, wenn Pubertierende über das Problem „Schwitzen“ reden, obwohl es sie eigentlich alle (mehr oder weniger) in gleichem Maße betrifft. Trotzdem werden “Schwitzer” gemieden und verspottet, nicht nur hinter vorgehaltener Hand. Ausgrenzung in der Klasse und tägliches Mobbing sind oft die Folge.
Ausgegrenzt sein: Jugendliche kommen mit sozialer Ächtung nur schlecht zurecht und leiden sehr darunter. Derartige Störungen der sozialen Entwicklung können auf Dauer das Schwitzen verstärken und zu psychologischen Problemen führen, die über eine medizinische Behandlung hinaus ggf. auch eine psychologischen Betreuung verlangen.
Die hier beschriebenen Alltagsprobleme durch das Schwitzen sind in einem Alter, in dem Dinge wie
- Freundschaft
- Gruppenzugehörigkeit
- Partnerschaft und Liebe
- erste sexuelle Erfahrungen
- Entwicklung der eigenen Persönlichkeit
- eigenes Erscheinungsbild
- verstärktes Mode-/Hygienebewusstsein
- Lösung von den Eltern
besonders wichtig sind, für Heranwachsende sehr belastend. Dauerhafte Störung der sozialen Entwicklung durch Schwitzen und Schweißgeruch können zu Verhaltens- und Persönlichkeitsstörungen führen. Gesellschaftlicher Rückzug, Zwangshandlungen (z.B. Waschzwang), aber auch Depressionen sind manchmal die Folge. Es sind Störungen, die nicht nur bis in das spätere Erwachsenenalter übernommen werden. Sie können das vegetative Schwitzen auch weiter verstärken (Hyperhidrosis). Deshalb gilt, es das Schweißproblem schon früh ernst zu nehmen und rechtzeitig zu behandeln.
“Schwitzen ist gesund, also sei doch froh!”
Typische Bemerkungen wie diese, von Erwachsenen, besonders von Eltern, gegenüber Jugendlichen sind falsch und kontraproduktiv. Selbstverständlich ist Schwitzen gesund und lebenswichtig, dess es dient der natürlichen Regulierung unserer Körpertemperatur.
Wann jedoch der Schweiß für Jugendliche zur echten Belastung wird und in welchem Maße, kann nicht von Außenstehenden nachvollzogen werden, nicht mal von den engsten Vertrauten. Das Schweißproblem lässt sich auch nicht in Millilitermengen messen bzw. durch medizinischen Diagnosen bestimmen. Schon geringe Mengen Schweiß, an deutlich sichtbaren Stellen wie z.B. auf der Stirn oder an den Händen, können Jugendlichen in der Schule schwere Probleme bereiten. Wenn der Schweiß in die Augen läuft oder die nasse Hand auf der Tafel glänzende Flecken hinterlässt haben alle was zu lachen – nur die Betroffenen nicht. Solche Probleme zu erkennen, ist im Rahmen eines offenen Dialoges zwischen Eltern und Kind wichtig. Hier ist deutlich mehr Sensibilität und Feingefühl gefragt, als es das unappetitliche Thema „Schweiß“ vielleicht vermuten lässt.
Unser Tipp
Jugendliche müssen starkes Schwitzen nicht hinnehmen, wenn sie darunter leiden. Schon ab einem Alter von 12 Jahren sind hautschonende Antitranspirante zu empfehlen. Diese stellen eine kostengünstige und ungefährliche Möglichkeit dar, um den Schweißfluss zu reduzieren. Solche „Antitranspirante der 3. Generation“ sind sanft zur Haut und dermatologisch getestet. Deshalb können sie auch von heranwachsenden Mädchen (besonders mit sensibler Haut) angewendet werden. Die „deoähnlichen“ Mittel sind rezeptfrei erhältlich und kosten relativ wenig. Bei jüngeren Kindern sollten Eltern die ersten Anwendungen gemäß der beiligenden Gebrauchsanweisung beaufsichtigen.
[1] Effective Prevention of stress-induced sweating and axillary malodor formation in teenagers, International Journal of Cosmetic Science, 01.07.2010
Tagging: Kindesalter, Kinder, Jugendliche, Heranwachsende, Eltern, Erziehungsberechtigte, Fremdeinschätzung