Die richtige Arztwahl kann für die erfolgreiche Therapie einer Hyperhidrose ausschlaggebend sein. Das Problem dabei: Die meisten Betroffenen wissen überhaupt nicht, dass sie an einer Krankheit leiden, deshalb besteht auch gar nicht erst der Wunsch, einen Arzt um Rat zu fragen.

Vorsicht: Eine medizinische Ausbildung (auch in einem Fachbereich wie der Dermatologie) ist nicht gleichbedeutend mit Fachwissen. Besonders dann, wenn es um einen eng gefassten Problembereich wie die Hyperhidrose geht!

Schwitzen ist gesund und ich schwitze halt besonders stark“ denken viele, und geben sich ihrem Schicksal hin. Aber selbst wenn es Betroffene zum Arzt treibt hört man dort leider auch heute noch viel zu häufig genau diese Floskel: „Schwitzen ist doch ein normaler thermoregulatorischer Vorgang!“. Dabei spüren Betroffene eigentlich sehr gut selbst, wenn übermässiges Schwitzen ihre Psyche belastet oder zu Hautproblemen führt. Deshalb gehen sie ja auch den unbequemen Weg zum Arzt.

Tagtäglich erreichen uns aber Meldungen, bei denen Betroffene von Ärzten entweder abgespeist oder mit unzureichenden Empfehlungen und Alibi-Therapien versorgt werden! Ein fehlendes Interesse an der Problemlösung ist dabei weniger häufig zu beobachten als die reine Inkompetenz, die man in einem Nischen-Problembereich wie der Hyperhidrose noch nicht einmal zum Vorwurf machen kann. Wohl aber ist der folgende Punkt anzuprangern…

Vorsicht: Ärzte tun sich schwer damit Unkenntnis zuzugeben!

… denn es wäre dem Betroffenen viel mehr geholfen, wenn der Mediziner einfach zugeben würde, dass der beschriebene Problemfall zu spezifisch ist und seinerseits keine Besonderen Kenntnisse der möglichen Therapieformen vorherrschen. Beispielhaft erleben wir immer wieder, dass ein Arzt gegen starken Handschweiß oder Schweißfüße Iontophorese-Sitzungen verschreibt. Soweit so richtig! Wenn die Therapie per Rezept jedoch auf 8-10 Sitzungen limitiert werden und danach bereits eine Beurteilung der Therapieform stattfinden soll, so kann man dem Arzt leider nur fehlende Erfahrung und ein fehlendes Fachwissen attestieren.

Auch das Verschreiben von Salbei-Produkten (typische Alibi-Therapie mit der man schon nichts falsch machen wird) hat meines Wissens nach so gut wie noch nie eine echte Hyperhidrose so zu lindern vermocht, dass der Betroffene am Ende zufrieden war. Und wenn, dann wohl eher durch einen Placebo-Effekt.

Aber auch wir als Arzt-Kunden müssen uns fragen, ob wir mit der Tendenz zur öffentlichen Bewertung von Ärzten nicht zu diesem Problem beitragen. Denn einem ehrlichen Arzt wird seine Ehrlichkeit heutzutage vielleicht sogar leichtfertig mit schlechten Online-Rezensionen vergolten.

Vorsicht: Auch Ärzte haben wirtschaftliche Interessen!

Auch ihr Arzt hat einen Praxis-Apparat und Personal zu stemmen. Fragen Sie sich deshalb, ob ihr Arzt an bestimmten Therapieformen in besonderer Weise partizipiert! Ist Ihr Dermatologe beispielsweise gleichzeitig auch Chirurg, so können Sie davon ausgehen, dass er aus einer Vielzahl an Gründen chirurgische Therapien in seinem Fachbereich zumindest ins Auge fassen wird. Chirurgische Eingriffe gelten aber nicht umsonst als kritisch und sollten deshalb eher nachgelagert betrachtet werden.

Beobachten Sie auch, ob ihr Arzt bestimmte Therapien im eigenen Hause anbietet. Die dafür erforderlichen Therapiegeräte sind oft kostspielig und müssen aus wirtschaftlicher Sicht deshalb auch regelmäßige Anwendung finden, um sich zu rechnen.

Wann sollten Sie ärztliche Hilfe suchen

Untersuchungen haben gezeigt, dass Jahre oder Jahrzehnte vergehen, bevor Hyperhidrotiker ärztliche Hilfe aufsuchen. Laut eine Umfrage unter US-amerikanischen Hautärzten wird in Arztpraxen das Problem des übermäßigen Schwitzens erst relativ spät, im Alter von 25 bis 35 Jahren angesprochen. Da eine generalisierte Hyperhidrose meist erstmals zu Beginn der Pubertät als störend wahrgenommen wird (eine fokale Hyperhidrosis sogar schon im Kindesalter) vergehen somit mindestens 10 Jahre, in denen sich die Betroffenen mit ihrem Problem herumgequälen.

Das größte Problem dabei: In der pubertären und spätpubertären Phase werden die sozialen Konflikte (z.B. Ausgrenzung durch andere,  Abgrenzung von anderen) durch die Hyperhidrose als besonders belastend wahrgenommen! In Folge können sich in dieser Zeit soziale Phobien oder andere psychologische Leiden entwickeln. Diese können das krankhafte Schwitzen weiter steigern. In solchen Fällen wird zusätzlich eine psychologische Betreuung nötig.

Junge Hyperhidrotiker oder Jugendliche, die feststellen, dass sie stärker als andere schwitzen, sollten deshalb frühzeitig einen Arzt aufsuchen. Eltern, die bei ihren Kindern übermäßiges Schwitzen ab dem Kindergartenalter beobachten, sollten ebenfalls einen Arzt konsultieren, dies auch um eine sekundäre Hyperhidrosis, deren Ursache eine verborgene Primärerkrankung ist, auszuschließen. Schwitzen im Babyalter (insbesonders schwitzige Fußsohlen und Hände) ist dagegen in den meisten Fällen nur ein temporäres Problem, das spätestens mit Erreichen des Vorschulalters von selbst nachlassen sollte.

Vorsicht: Bitte versuchen Sie es jedoch zu vermeiden, einem Kind psychische Probleme erst einzureden. Viele Kinder kommen im Kindesalter mit dem Schwitzen gut zurecht ohne einen Leidensdruck zu verspüren.

Richtiges Vorgehen bei der Suche nach ärztliche Hilfe:

  1. im Internet über Hyperhidrose informieren, z.B. bei www.hyperhidrosehilfe.de
  2. das Schwitzen mit rezeptfreien Mitteln, z.B. guten Antitranspirantien lindern
  3. vor einem Arztbesuch das eigene Schwitzen objektiv bewerten: wo, wie stark und wann schwitze ich?
  4. Hausarzt besuchen und Situation ohne Scham schildern – Kompetenzen und Absichten des Arztes hinterfragen!
  5. Überweisung zu einem Hautarzt (Dermatologen) notwendig? Auch hier die Kompetenzen und Absichten hinterfragen!
  6. im Internet über die vom Hautarzt empfohlenen / verschriebenen Therapien informieren!
  7. im Zweifel eine ärztliche Zweitmeinung einholen oder die Hyperhidrose Sprechstunde einer Uni-Klinik besuchen

Was geschieht beim Arzt und was für Fragen wird er stellen?

Schon bei dem ersten Arztbesuch (Hausarzt) sollte das Problem in seiner gesamten Dimension geschildert werden. Wichtig ist, darzustellen, wie sehr unter dem starken Schwitzen gelitten wird und welche Ausmaße es erreicht. Lassen Sie sich dabei bitte nicht mit Phrasen abspeisen! Fordern Sie ggf. eine Überweisung zu einem Hyperhidrose erfahrenen Dermatologen ein.

Checkliste: Fragen und Antworten beim Hausarzt und Hautarzt:

  • wo schwitze ich? An bestimmten Stellen oder eher am gesamten Körper?
  • wann tritt das Schwitzen auf, z.B. nur am Tag oder nur nachts?
  • tritt das Schwitzen auch bei Kälte auf, z.B. im Winter?
  • tritt das Schwitzen auch ohne körperliche Anstrengung auf?
  • wie stark schwitze ich? (z.B. große Schweißflecken; nasse Hände etc.)
  • wie stark ist der Leidensdruck durch das Schwitzen?
  • wie beeinflusst das Schwitzen den Alltag? (z.B. Hänseleien in der Schule; Getuschel im Büro, Mobbing)
  • werden gesellschaftliche Kontakte bereits gemieden (z.B. Absage bei Einladungen, Hemmungen Hände zu schütteln o.ä.)
  • liegen bekannte Grunderkrankungen vor? (z.B. Herzerkrankung; Schilddrüsendysfunktion)
  • wurden schon Hausmittel oder rezeptfreie Präparate probiert? Wenn ja welche, mit welchem Wirkstoff?
  • tritt starker Schweißgeruch auf?

Diese Fragen sollten bereits vor dem Arztbesuch ehrlich beantwortet und die Antworten am besten schriftlich notiert werden. Dem Arzt helfen diese Aussagen, das Problem besser beurteilen zu können.

Checkliste: Was sollte der Hausarzt bei dem Termin unternehmen?

  • sich Zeit nehmen und sich die Problemschilderung in Ruhe anhören
  • das Problem „starkes Schwitzen“ ernst nehmen!
  • das eigene Fachwissen im Bereich der Hyperhidrose ehrlich bewerten und entsprechend kommunizieren!
  • Blutbild prüfen (separater Termin), um innere Krankheiten auszuschließen
  • generelle körperliche und gesundheitliche Untersuchung
  • Fragen nach speziellen Lebensumständen stellen (z.B. Stress; Ernährung, Konsum)
  • Überweisung für den Dermatologen ausstellen

Checkliste: Was sollte der Hautarzt (Dermatologe) bei dem Termin unternehmen?

  • sich Zeit nehmen und sich die Problemschilderung in Ruhe anhören
  • das Problem „starkes Schwitzen“ ernst nehmen!
  • Fragen nach speziellen Lebensumständen stellen (z.B. Stress; Ernährung, Konsum)
  • die Stärke des Schwitzens bestimmen (Gravimetrietest)
  • den Ort des Schwitzens bestimmen (ggf. Jod-Stärke-Test)
  • das eigene Fachwissen im Bereich der Hyperhidrose ehrlich bewerten und entsprechend kommunizieren!
  • Therapien in sinnvollen Schritten verordnen (Opertionen sollten immer die letzte Möglichkeit darstellen)
  • einzelne Therapiemöglichkeiten ausführlich erläutern
  • mögliche Risiken und Nebenwirkungen der Therapien benennen
  • Erfolgschancen realistisch vermitteln (keine Versprechungen)
  • ggf. Überweisung für eine ➝ psychologische Betreuung

Wie funktioniert der Gravimetrietest?
Durch Gravimetrie (Gewichtsmessung) kann das Ausmaß der Schweißsekretion, d.h. die Schweißmenge, welche innerhalb einer festgelegten Zeit austritt, festgestellt werden. Es wird ein kleines Löschblatt von definierter Grösse eine festgelegte Zeit z.B. in die Achselhöhle gelegt. Der Gewichtsunterschied durch den aufgenommenen Schweiß ist ein Maß für die Schweißsekretion. Er wird mittels einer sehr feinen Waage gemessen. Bei einer Schweißsekretion von mehr als „100 mg Schweiß in 5 Minuten“ handelt es sich laut medizinischer Definition der WHO um krankhaftes Schwitzen = Hyperhidrose. Der Gravimetrietest ist selbstverständlich völlig schmerzfrei und nimmt nicht viel Zeit in Anspruch!

Wie funktioniert der Jod-Stärke-Test?
Bei Bedarf kann der Ort der vermehrten Schweißsekretion (örtlich begrenzte, d.h. fokale Hyperhidrose) mit dem Jod-Stärke-Test (auch Minor-Test) festgestellt werden. Dazu wird Lugolsche Lösung (Jodlösung) auf die zu untersuchende Körperegion aufgetragen. Sobald die Lösung angetrockend ist, wird Stärkemehl auf die fragliche Körperregion aufgestreut. An den Stellen vermehrter Schweißsekretion wird das Stärkemehl angefeuchtet und färbt sich durch die aufgebrachte Jodlösung bräunlich-schwarz. Da die betroffenen Körperregionen vom Patienten meistens gut umschrieben werden können, ist der Teset nur in unklaren Fällen notwendig. Der Gravimetrietest ist ebenfalls völlig schmerzfrei!

Freie Arztwahl!

Sie haben die Wahl! Sollten Sie sich bei den Terminen nicht ernst genommen fühlen oder die oben beschriebenen Punkte nicht ausreichend berücksichtigt werden, so ist ein Arztwechsel anzuraten. Die meisten Hyperhidrotiker mussten zuerst etliche Ärzte konsultieren, bevor ihnen angemessen geholfen wurde!